München, 2. Juli 2021: Es läuft die 78. Spielminute im Viertelfinalspiel zwischen Belgien und Italien. Leonardo Spinazzola ist im Vollsprint und muss plötzlich ohne gegnerische Einwirkung seinen Lauf abbrechen. Am nächsten Tag bestätigte sich bei den weiteren Untersuchungen die Verdachtsdiagnose – Achillessehnenriss.
Das Auftreten von Achillessehnenrissen ist in den letzten Jahrzehnten deutlich angestiegen, obwohl die Achillessehne die stärkste und dickste Sehne des menschlichen Körpers ist. Als mögliche Ursache wird dabei die zunehmende Sportbegeisterung insbesondere im mittleren und höheren Alter aufgeführt, da es zwei Häufigkeitsgipfel zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr und nach dem 65. Lebensjahr gibt. Das Risiko einen Riss zu erleiden, liegt dabei weiterhin eher beim männlichen Geschlecht (Männer: 55 und Frauen: 15 pro 100.000 Personen) (Quelle 1).
In 95 % der Fälle reißt die Achillessehne vollständig, ca. 3-6 cm vom Ansatz am Fersenbein entfernt, ab. Häufig berichten die Patienten auch von einem “hörbaren Knall”. Die Ursachen für einen Riss sind zumeist durch degenerative Vorschäden mit minimalen Überlastungsschäden bedingt und treten häufig bei einer Maximalbelastung (z.B. Sprint) oder dem abrupten Abbremsen (z.B. Richtungswechsel) auf (Quelle 3).
Klinisch zeigen sich neben einer Delle oberhalb des Fersenbeins funktionelle Einschränkungen, wie z.B. ein nicht durchführbarer Zehenstand und eine nur noch gering bis gar nicht mehr erhaltene Fußstreckung (ähnlich der Bewegung beim Gasgeben im Auto) (Quelle 3). Zur Diagnosesicherung erhalten die Patienten eine Ultraschall- und ggf. eine MRT Untersuchung des betroffenen Fußes.
Je nach Alter, Grunderkrankung, Hausmedikamenten (z.B. Kortison) und sportlicher Aktivität kann ein konservatives (Ruhigstellung in Spitzfußstellung im Gips- oder Verbandsschuh mit oder ohne frühfunktioneller Nachbehandlung) oder ein operatives Vorgehen gewählt werden. Beide Verfahren haben Vor- und Nachteile und insbesondere das konservative Vorgehen birgt ein erhöhtes Risiko für einen erneuten Riss, während das Risiko für (Quelle 3).
In Deutschland wird mit nahezu 90% am häufigsten die Operation mit Naht der Achillessehne und der Nachbehandlung im speziellen Verbandsschuh gewählt. Ein Vorteil ist die frühfunktionelle Beübung, wodurch der Muskelschwund u.a. der Wadenmuskulatur im Vergleich zum Gips bis zu 20% geringer ausfällt (Quelle 3).
Aufgrund der langen Ruhigstellung des Fußes sollte im Rehabilitationsverlauf auf eine frühfunktionelle Beübung geachtet werden, um neben des Muskelschwunds auch eine „Einsteifung“ der kleineren und größeren Gelenke wie z.B. des Sprunggelenks zu vermeiden. Weiterhin büßt man das Gefühl ein, die Stellung des Fußes im Raum richtig zu beurteilen. Diese Fähigkeit nennt man Propriozeption und sie ermöglicht dem Gehirn z.B. in Sekundenbruchteilen auf Unebenheiten im Boden zu reagieren, um ein Umknicken des Sprunggelenks zu vermeiden (Quelle 3).
Die mittlere Ausfallzeit für Amateursportler vom Unfall bis zum ersten Wettkampfspiel beträgt mindestens 9 bis 12 Monate. Im Profifußball, der auf alle Möglichkeiten der Rehabilitation zurückgreifen kann, beträgt die durchschnittliche Ausfallzeit bis zur Rückkehr des Spielers auf den Platz 7 bis 9 Monate. Dabei konnte gezeigt werden, dass knapp 90% der Spieler dasselbe Niveau erreichen wie vor dem Trauma (Quelle 2).
Interessanterweise scheint eine Achillessehnenverletzung in anderen Sportarten einen deutlichen größeren Einfluss auf die Leistung nach Rückkehr in den Sport zu haben. In einer großen amerikanischen Studie, in der Sportarten wie Basketball, Baseball, Football, etc. untersucht wurden, stellte sich heraus, dass fast 30% Sportler mit einem Achillessehnenriss nicht wieder dasselbe sportliche Level wie vor der Verletzung erreichten (Quelle 4).
Ein Achillessehnenriss ist eine schwere Verletzung die mit einer langen Ausfallzeit einhergeht. Diese Zeit sollte man sich für die Rehabilitation nehmen, da Studien gezeigt haben, dass mit jedem Monat und verletzungsfreien Aufbautraining das Risiko für einen erneuten Riss sinkt (Quelle 2).
Quellen:
- Amlang, M. (2018) ‘Achillessehnenruptur’, in Rückfußchirurgie. Berlin, Heidelberg: Springer Berlin Heidelberg, pp. 147–158. doi: 10.1007/978-3-662-55343-5_10.
- Grassi, A. et al. (2020) ‘Eighty-two per cent of male professional football (soccer) players return to play at the previous level two seasons after Achilles tendon rupture treated with surgical repair.’, British journal of sports medicine. BMJ Publishing Group Ltd and British Association of Sport and Exercise Medicine, 54(8), pp. 480–486. doi: 10.1136/bjsports-2019-100556.
- Holmenschlager, F., Schubert, S. and Winckler, S. (2002) ‘Achillessehnenrupturen: Die dynamische frühfunktionelle Nachbehandlung’, Zentralblatt für Chirurgie. © Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York, 127(6), pp. 519–522. doi: 10.1055/s-2002-32611.
- Tarantino, D. et al. (2020) ‘Achilles Tendon Rupture: Mechanisms of Injury, Principles of Rehabilitation and Return to Play’, Journal of Functional Morphology and Kinesiology. Multidisciplinary Digital Publishing Institute, 5(4), p. 95. doi: 10.3390/jfmk5040095.