"Objektive Entscheidungen sind unser Anspruch"


16.02.2020
Verband • Sportgericht

In den vergangenen Monaten gab es im Sportgericht des Landesfußballverbandes Mecklenburg-Vorpommern (LFV) einige personelle Veränderungen. Viele neue ehrenamtlich engagierte Mitstreiter konnten gefunden werden. Zum Auftakt des Jahres 2020 traf sich das neuformierte Gremium in Rostock zu einer gemeinsamen Sitzung mit Vertretern aus dem Spielausschuss, dem Ausschuss für Frauen- und Mädchenfußball, dem Schiedsrichterausschuss sowie mit dem LFV-Präsidenten Joachim Masuch und dem Vizepräsidenten Recht und Satzung, Jörg Dräger. Im Anschluss dran sprach der neue Sportgerichtsvorsitzende Michael Selbmann mit lfvm-v.de über die zurückliegenden Entwicklungen und gab einen Einblick in die Arbeitsweise und Struktur des LFV-Rechtsorgans.


Interview mit Michael Selbmann

lfvm-v.de: Herr Selbmann, sie sind seit Anfang des Jahres 2020 neuer Vorsitzender des Sportgerichtes im Landesfußballverband Mecklenburg-Vorpommern. Wie kam es dazu?

Michael Selbmann: Der ehemalige Vorsitzende des Sportgerichts, André Derlich, hatte bereits im Spätherbst des vergangenen Jahres angekündigt, sein Amt aus persönlichen Gründen zum 31. Dezember 2019 abgeben zu wollen. Auch sein bisheriger Stellvertreter Rudi Schwartz beendete zu diesem Zeitpunkt seine Tätigkeit. LFV-Präsident Joachim Masuch und Jörg Dräger (Vizepräsident Recht und Satzung/d. Red.) sind an mich herangetreten mit der Frage, ob ich mir die Übernahme dieses Amtes vorstellen könnte. Ich habe seit meiner Berufung zum Beisitzer im Jahre 2016 und später zum Sportrichter des LFV alle Facetten dieses Ehrenamtes kennengelernt, so dass ich nach kurzer Überlegung und Abstimmung mit meiner Familie gern bereit war, die erfolgreiche Arbeit von André Derlich fortzuführen.

Finden Sie sich in dieser neuen Rolle bereits zurecht?

Zunächst einmal greift man immer auf Bewährtes zurück und daran will ich auch nichts ändern. Der Vorstand und das Präsidium haben mir von Beginn an vertrauensvoll zur Seite gestanden. In der Geschäftsstelle findet man erfahrene Mitarbeiter, die wissen, worauf es ankommt und einen sehr guten 'Hintergrunddienst' für das Sportgericht leisten. Ecken und Kanten wird es immer geben, insbesondere deshalb, weil man ja neben seinem Ehrenamt auch noch einem Vollzeitjob nachgeht. Aber ich denke, wir sind im Sportgericht ein gutes, bewährtes Team, haben eine gute Mischung von erfahrenen Sportrichterkollegen und Beisitzern und neu hinzu gekommenen, engagierten Beisitzern. Von daher sind wir weiterhin auf einem positiven Weg.

Welche zusätzlichen Aufgaben bringt der Vorsitz mit sich?

Ich kümmere mich neben meiner eigenen Arbeit in den Verhandlungsausschüssen nun auch um den Gesamtbetrieb des Sportgerichts. Ich bin Ansprechpartner für die Verbandsführung, die Sportgerichtskollegen aber auch für die Sportgerichte der Kreisverbände. Es ist also nun nicht mehr nur das reine Sportgerichtsgeschäft, sondern viel administrative Arbeit zu erledigen. Die Verantwortlichkeiten haben sich also insgesamt deutlich erweitert.
Darüber hinaus bin ich als Vertreter des Sportgerichts des LFV zum Sportrichter bei dem Sportgericht des Nordostdeutschen Fußballverbandes berufen worden. Das sind weitere neue Aufgaben, die man nun erst verinnerlichen muss.

Nebst Ihrer Berufung zum Vorsitzenden gab es mit Jahresbeginn weitere personelle Wechsel im Sportgericht. Wie stellt sich das neue Team in der Sportgerichtsbarkeit auf?

Die bisherige Gliederung des Verbandssportgerichts in vier Verhandlungsausschüsse soll beibehalten werden. Allerdings stehen uns nach dem Ausscheiden von André Derlich und Rudi Schwartz derzeit nur drei Ausschussvorsitzende zur Verfügung. Das sind Harald Callies, Wilfried Rohloff und meine Wenigkeit. Die Aufgaben des vierten Ausschusses haben wir zunächst auf die bestehenden drei verteilt. Perspektivisch jedoch soll wieder ein vierter Ausschussvorsitzender berufen werden. Dieser könnte ein bereits vorgebildeter 'Neuzugang' sein, aber auch einer unserer gegenwärtigen Beisitzer, der sich durch seine Tätigkeit für die 'Beförderung' empfehlen könnte. Eine kurzfristige Änderung ist nicht zu erwarten, aber wir wollen es auch nicht auf die lange Bank schieben, um Überlastungen der Sportrichter zu vermeiden. Im Kreis unserer Beisitzer finden wir neben zwei erfahrenen Kollegen, Andreas Giermann und Peter Grüning, eine Reihe neuer Mitstreiter, die sich von Beginn an sehr engagiert zeigen. Der Umgang mit der Rechtsproblematik und den vielfältigen Sachverhalten aus einer anderen Position, als sie das bisher gewohnt sind, will gelernt sein. Es ist ein Lernprozess, der im Übrigen alle Mitglieder des Sportgerichts gleichermaßen betrifft. Wir sind also auf und für die Zukunft eingestellt und aufgestellt.

Derzeit sind noch einige wenige Beisitzer-Posten im Sportgericht unbesetzt. Welchen Aufgabenumfang bringt diese Rolle mit sich?

Ein Beisitzer muss sich zunächst der Neutralität seiner Aufgabe bewusst sein. Die persönliche Aneignung der Inhalte der Satzung und der Ordnungen ist zwingende Voraussetzung für eine fachlich fundierte Tätigkeit. Der Beisitzer erarbeitet, nach entsprechender Erfahrung, Urteilsvorlagen nach Auftrag durch den Ausschussvorsitzenden, die dann im Ergebnis zu einer Entscheidung des Sportgerichts führen.
Das Ausschussteam arbeitet nach der RuVO (Rechts- und Verfahrensordnung/d. Red.) sowohl im schriftlichen Verfahren, aber auch im mündlichen Verfahren, soweit solche Verhandlungen erforderlich werden. Man sieht also, mit Handheben ist es nicht getan. Man muss in der Lage sein, sich ein eigenes, leidenschaftsloses und fundiertes Urteil bilden und auch vertreten zu können. Dass dies sich in der Freizeit der Kollegen abspielt, muss nicht betont werden.

Für alle, die sich ggf. für solch ein ehrenamtliches Engagement interessieren: Ist juristisches Fachwissen eine Grundbedingung für die Mitarbeit im Sportgericht?

Juristisches Fachwissen ist eine sehr anspruchsvolle Kategorie, die nicht zwingende Voraussetzung für eine Tätigkeit im Sportgericht ist. Das kann und darf man auch nicht erwarten. Eine gute Mischung zwischen ‚normalen‘ Lebensauffassungen und der Fähigkeit zum juristischen Denken und Handeln ist aber sehr von Vorteil. Letztlich muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass unsere Entscheidungen vor dem teilweise mit Voll-Juristen besetzten Verbandsgericht überprüft werden können und auch der Gang des Betroffenen vor ein ordentliches Gericht theoretisch nicht ausgeschlossen ist. Soll heißen, nur mit Gefühl und Instinkt geht es nicht, ein gewisses Maß an juristischem Gespür ist schon erforderlich. Aber das letztere kann und wird man in seiner Tätigkeit lernen, sofern es nicht schon vorhanden ist.

Gemäß der LFV-Satzung ist das Sportgericht unabhängig. Wie lässt sich das im Alltag darstellen?

Die Unabhängigkeit des Sportgerichts wird bereits dadurch erreicht, dass es nur im sogenannten Antragsverfahren tätig wird. Im Volksmund sagt man wohl auch: "Wo kein Kläger, da kein Richter." Die Anträge, die bei uns im Rechtswege eingehen, werden von uns geprüft. Diese Anträge kommen fast überwiegend aus den Ausschüssen und spielleitenden Instanzen des LFV. Anträge von Vereinen oder Personen sind sehr, sehr selten. Dabei spielt es keine Rolle, wer diesen Antrag stellt. Wir entscheiden ohne Ansehen der antragstellenden Instanz oder Person auf der Grundlage der geltenden Satzung und der Ordnungen, die im Übrigen nicht durch die Organe des LFV geschaffen sind, sondern durch die Vereine selbst auf den regelmäßigen Verbandstagen überprüft und verändert werden können. Im Alltag eines Sportgerichts kommt es daher durchaus vor, dass wir nicht der Auffassung des Antragstellers folgen und daher auch Urteile fällen, die dieser so gar nicht erwartet hat. Eine Abstimmung mit Organen des LFV findet, außer den üblichen verfahrenstechnischen Vorgängen, nicht statt. Die Unabhängigkeit des Sportgerichts wird auch schon darin deutlich, dass auch der Verband berechtigt ist, im Wege eines Rechtsmittels unsere ergangenen Urteile und Entscheidungen anzugreifen, sofern er Verfahrensbeteiligter ist.
Dass die Unabhängigkeit des Sportgerichts von manchem im Alltag gelegentlich in Zweifel gezogen wird, ist eine subjektive Auffassung des Einzelnen, der wir uns aber auch durchaus bewusst sind. Entsprechend müssen unsere Entscheidungen so getroffen werden, dass ein solcher Verdacht, objektiv betrachtet, gar nicht erst aufkommen kann. Das ist unser Anspruch.


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